Sie brauchen dieser dunklen Tage mal wieder frische Lektüreideen? Wissen wieder einmal nicht, was verschenken an Weihnachten? Ein Buch geht immer – und Vorschläge haben wir reichlich. Bis zum 24. Dezember öffnen wir hier täglich ein weiteres Türchen, um Ihnen eines jener Bücher mit dem besonderen Etwas vorzustellen, die dieses Jahr das Licht der Welt erblickt haben. Kommen Sie mit uns auf Adventslese – möglicherweise werden Sie ja fündig. Hinter Türchen Nr. 9 zum Vorschein kommt:
Ilija Trojanow/Susann Urban: »Durch Wald und Wiese oder Reisen zu Fuß«
Einen Fuß vor den anderen
Elizabeth von Arnim, Lew Tolstoi, Honoré de Balzac, Jean-Jacques Rousseau, Henry David Thoreau, Robert Louis Stevenson, Robert MacFarlane, Patrick Leigh Fermor, Charles Dickens, Annie Dillard, Georg Büchner, Charles Dickens, Jack London, Rebecca Solnit, Edgar Allan Poe, Werner Herzog, Louis Aragon, Christoph Ransmayer, Johann Gottfried Seume und Jack Kerouac – was denken Sie, haben diese 20 Menschen gemeinsam? Außer, dass sie sich als Denker und Dichter betätigt haben und schriftstellerische Zeugnisse hervorgebracht haben, die rund um die Welt Verbreitung gefunden haben. All diese Personen – und noch fast drei Dutzend mehr, insgesamt sind es 55 Autoren und Autorinnen, haben Ilija Trojanow und Susann Urban in dem sehr lesenswerten Buch „Durch Welt und Wiese oder Reisen zu Fuß“ versammelt, weil sie, ja weil sie die Liebe zum Gehen eint. Nicht jenes ‘Ich gehe mal zum Bäcker‘ oder ‚Ich gehe mal zum Auto, um zum Bäcker zu fahren‘, sondern eine richtige, lebenserfüllende Leidenschaft, die eigene Umgebung zu Fuß zu erkunden. Immer wieder, fortwährend, egal, ob Stadt- oder Naturlandschaft. Quasi ‘manische‘ Zu-Fuß-Geher und Geherinnen, die das Durch-die Gegen-Streifen, das exzessive Spazierengehen für sich als so bedeutsam erachte(te)n, dass es schon fast den Stellenwert eines Grundbedürfnisses innehat(te).
Für viele von uns (Tendenz steigend) dürfte eine derartige Hingabe ans ‘Gehen‘ angesichts der Bequemlichkeiten, die wir in unser zeitoptimiertes Leben Einzug halten lassen haben (auf jeden gelaufenen Kilometer kommen beim Durchschnittsdeutschen laut einer Studie der ARD mehr als 30 mit dem Auto zurückgelegte Kilometer), sicher etwas verschroben wirken. Diejenigen jedoch, die von sich behaupten können, ebenfalls Sinn und Gefallen daraus zu schöpfen, nur um der Aktivität wegen einen Fuß vor den anderen zu setzen, können sicher auch bestätigen, dass dies unbestreitbar die beste Herangehensweise ist, die Welt wahrzunehmen. Überdies den Geist lockert, das eigene Dasein entschleunigt, den Horizont weitet, den eigenen Körper und die eigenen Grenzen vertrauter werden lässt, Endorphine freisetzt, ja mitunter wie eine Droge wirken kann. Eigentlich in jeder Hinsicht eine Bereicherung darstellt, die wir nicht missen sollten. Nicht als ein Muss, sondern als Freude daran und darüber, des Laufens fähig zu sein.
All die in „Durch Welt und Wiese“ versammelten Personen teilen, egal welcher Zeit sie angehör(t)en, diese subversive Sicht auf das ‘Gehen‘ und haben diese mal mehr, mal weniger explizit auch zum Gegenstand ihrer eigenen Texte gemacht. Trojanow und Urban haben sich die Mühe gemacht, deren Schriftwerke zu durchforsten und entsprechende Textpassagen, Kapitel, Gedankensplitter oder auch Essays zusammenzutragen. Und ermöglichen es uns wiederum, spazierend, wandernd, gehend, diese für ein kurzes Stück Weg zu begleiten und Sichtweisen vorgetragen zu bekommen, die in der Gesamtschau eine einzige große, universelle Erkenntnis bloßlegen: Wer sich und die Welt kennenlernen will, sollte gehen, einfach nur gehen. Und das eben nicht nur bis zum Auto…
„Durch Welt und Wiese oder Reisen zu Fuß“ ist erstmals vor sechs Jahren erschienen und nun als Extradruck noch einmal in der ‘Anderen Bibliothek‘ erschienen.