Jena bei internationalen Fachkräften beliebt – mit Einschränkungen

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Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich in Jena im Allgemeinen wohl. Trotzdem ist fast die Hälfte von ihnen unsicher, ob sie wirklich langfristig am Standort bleiben möchten. Dies ist eine der wesentlichsten Erkenntnisse einer Untersuchung des Zentrums für Sozialforschung Halle, die von der Wirtschaftsförderung und dem Dezernats für Stadtentwicklung und Umwelt beauftragt wurde. Die Ergebnisse wurden am Montag in einer Online-Konferenz vorgestellt.

„Jena ist und bleibt eine weltoffene und interkulturelle Stadt, in der sich alle Menschen wohl und willkommen fühlen sollen“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche. „Die Verwaltung, aber auch die Unternehmen, und alle anderen Jenaer Akteurinnen und Akteure müssen dafür die richtigen Rahmenbedingungen gestalten“, so Nitzsche. Die Studie liefere einen ersten Eindruck, welche Voraussetzungen in der Arbeitswelt und im Alltag für eine gelungene Integration erfüllt sein müssen.

Datengrundlage für die Untersuchung war die repräsentative Einwohnerbefragung „Leben in Jena“ der Stadt aus dem Jahr 2020, die kommunale Prozesse besonders mit Blick auf Armutsprävention, Migration und Integration analysierte, um diese besser zu planen und zu steuern. Insgesamt hatten sich 1.642 Personen mit Migrationshintergrund und 1.372 Personen ohne Migrationshintergrund daran beteiligt. Für die neue Auswertung „Leben in Jena – Vertiefende Einblicke in die Situation internationaler Menschen in Jena“ wurden die Antworten von über 620 Personen erneut ausgewertet, um einen Einblick in die Lebensrealität von erwerbstätigen Zugewanderten zu erhalten.

Zuwanderung wichtig für die lokale Industrie

Zuwanderung ist laut der städtischen Wirtschaftsförderung wichtig, weil die lokale Industrie langfristig nur weiter wachsen kann, wenn es gelingt, Menschen aus dem Ausland gut in die Arbeitswelt und den Alltag vor Ort zu integrieren. „Wir wissen, dass der Standort Jena mittel- und langfristig auf internationale Fachkräfte angewiesen sein wird, damit sich die Unternehmen weiterhin gut entwickeln und produktiv arbeiten können“, fasste JenaWirtschaft-Geschäftsführer Wilfried Röpke demografische Herausforderung zusammen. Die Untersuchung „Leben in Jena“ zeige dabei drei wesentliche Gründe, wieso internationale Arbeitnehmende nach Jena gekommen sind: 37 Prozent gaben „Bildung“ an, 18 Prozent „Erwerbstätigkeit“ und 16 Prozent die eigene Partnerschaft.

Foto: JenaWirtschaft

Eine Frage, die die Studie mit einem klaren „Vielleicht“ beantwortet: 41 Prozent sind aktuell unsicher, ob sie auch zukünftig in Jena beziehungsweise Deutschland leben und arbeiten möchten. „Generell ist die Zufriedenheit vor Ort mit dem Lebensstandard, der Gesundheitsvorsorge, beim Wohnen und mit der Familie hoch“, erläuterte Thomas Ketzmerick vom Zentrum für Sozialforschung Halle. Ein kleinerer Teil der befragten Personen möchte Jena oder Deutschland mittelfristig wieder verlassen. Gründe dafür sind laut Ketzmerick vor allem schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Besonders für mitziehende Partnerinnen und Partner, die selbst ohne konkretes Jobangebot oder Arbeitsvertrag nach Jena kommen, sei es schwierig, im Beruf Fuß zu fassen. Sie arbeiten – sofern sie eine Anstellung finden – oft unterhalb ihres eigentlichen Qualifikationsniveaus. Entscheiden sich Menschen mit Migrationshintergrund aber, in Deutschland zu bleiben, so will der Großteil derer, die bereits in Jena leben, auch in der Stadt bleiben.

Wichtig für die Integration vor Ort sind in erster Linie der Job und die daraus entstehenden Kontakte. Für die mitziehenden Familienangehörigen gestaltet sich das Ankommen oft schwieriger und sie sind laut Untersuchung daher auch unzufriedener mit der gesamten Lebenssituation. Auch die neue Sprache lernt sich schlechter. Anknüpfungspunkte für eine gelungene, gesellschaftliche Anbindung liegen jedoch im Bereich Bildung oder über Kinder – beispielsweise über die Kindertagesstätte oder Schule.

Herausforderung Alltag

Auch das alltägliche Miteinander ist herausfordernd. Denn: Die Untersuchung zeigt, dass relativ viele Befragte bereits Diskriminierung im Alltag erlebt haben. Rund ein Drittel gab an, schon einmal, beispielsweise beim Einkaufen oder in Bus und Bahn, angepöbelt worden zu sein, besonders, wenn man sich in der eigenen Muttersprache unterhalten hat. Auch bei der Wohnungssuche werden Menschen mit Migrationshintergrund häufig diskriminiert; ein Punkt, der zu einer langfristigen Benachteiligung auf dem umkämpften Jenaer Wohnungsmarkt werden kann. Bürgermeister Christian Gerlitz will dieses Thema konkret angehen: „Wir werden bis 2030 mehr als 2.000 neue Wohnungen schaffen, um den Markt langfristig zu entlasten.“ Bezahlbarer Wohnraum helfe allen Bürgerinnen und Bürgern.

Eine allgemeine Handlungsempfehlung der Studie richten deren Macherinnen und Macher an die Stadt: Die Kommune muss sich weiterhin sichtbar für Weltoffenheit und Vielfalt einsetzen und gemeinsam mit den zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren gegen Ausgrenzung und Diskriminierung stellen.