Bohème Sauvage – der Name steht für eine Hommage an das wilde Berliner Nachtleben der 1920er Jahre. Das Event wurde 2006 von Else Edelstahl ins Leben gerufen und feiert nun seine Jena-Premiere Ende September im Volkshaus. Wir sprachen mit der Veranstalterin über rauschende Nächte, das Revival der Zwanziger und Kleidungsstile, die es so gar nicht gab.
Frau Edelstahl, einmal angenommen, ich hätte noch nie etwas vom wilden Berliner Nachtleben der Zwanziger Jahre gehört. Wie würden Sie mir die damalige Abendgestaltung der Millionenstadt beschreiben?
Else Edelstahl: Zum einen ging es natürlich noch ganz brav und gesittet ab, zum Beispiel auf frühabendlichen Tanztees, auf denen ausschließlich Paare tanzten. Daneben gab es auch schummrige Eckkneipen, in denen sich zum Trinken getroffen wurde. Aber der Renner waren die wilden Partynächte, bei denen man sich richtig gehen lassen konnte. Es wurde zu den Klängen von Swing, Tango, Stepp und Charleston gefeiert, als ob es kein Morgen gäbe und der Absinth floss dazu in Strömen. Die Musik war auf einmal schnell und laut, gesellschaftliche Normen wurden zumindest einen Abend lang vergessen und es war schon lange wieder hell, bevor es nach Hause ging. Das war komplett neu, so etwas gab es vorher nicht.
Schaut man sich in der Kultur- und Medienlandschaft genauer um, dann scheint es, als feiern die Zwanziger Jahre gerade eine Art Comeback.
Else Edelstahl: Eher wurden sie in den letzten Jahren langsam wiederentdeckt. Als wir vor mittlerweile fast 20 Jahren damit anfingen, in Berlin die ersten Bohème Sauvage-Parties zu organisieren, war das noch ein totales Underground-Ding. Inzwischen ist Bohème Sauvage eine feste Institution im Nachtleben der Hauptstadt. Und natürlich gibt es noch weitere Einflüsse, welche die Zeit wieder vermehrt ins öffentliche Bewusstsein gerückt haben. Zum Beispiel der Sänger Max Raabe oder die Fernsehserie Babylon Berlin.
Mittlerweile findet Bohème Sauvage regelmäßig in Berlin sowie in Hamburg und Köln statt, aber auch im Ausland sind sie immer gerne gesehen. Die Szene boomt also?
Else Edelstahl: Zumindest ist sie schnell gewachsen. 2008 besuchten wir zum ersten mal Athen und waren noch ein absoluter Geheimtipp. Drei Jahre später sind wir zurückgekehrt und fanden eine große und lebendige Szene vor. Was aber alle Abende in allen Städten und Ländern eint: Egal wo wir sind, die Leute haben immer spürbar Lust auf eine Nacht ganz im Stil des schillernden Nachtlebens der Zwanziger Jahre! Da ist viel Neugierde, aber auch viel Feierlaune dabei.
Kommen wir einmal direkt zu Bohème Sauvage. Was können ihre Gäste denn im Jenaer Volkshaus für eine Veranstaltung erwarten?
Else Edelstahl: Es soll natürlich den ganzen Abend wild getanzt werden, ganz egal ob solo oder als Paar. Dazu wird es zum Start einen Einführungskurs im Charleston geben, somit können die wichtigsten Schritte gleich auf dem Parkett angewandt werden.
Eine Tanzshow sowie eine Burlesque-Darbietung, die man in den Zwanzigern übrigens noch Schönheitstanz nannte, wird ebenfalls zu sehen sein. Auch ein kleines Casino mit Roulette und Blackjack haben wir im Gepäck, das ist ganz typisch für die Zeit. Natürlich wird aber nur mit Spielgeld an den Tischen gezockt. Zudem wird unsere hauseigene Live-Band „Let‘s Misbehave!“ für die richtige Songauswahl sorgen. Die Band ist große Klasse, versteht ihr Handwerk und ist sehr unterhaltsam! Wir freuen uns jedenfalls schon jetzt riesig auf Jena.
Zur Veranstaltung wird es auch eine Kleiderordnung geben.
Else Edelstahl: Genau. Hier darf man gerne kreativ werden – wichtig ist nur, das es nicht nach Fasching aussieht. Bunte Federboas und Paillettenstirnbänder mit Federschmuck haben zum Beispiel nicht viel mit dem Nachtleben der Zwanziger zu tun, auch wenn das ganz gerne vom Kostümhandel behauptet wird.
Um hierzu Anreize zu finden, hätten wir einen Tipp: ihren Podcast „Goldstaub“, den sie gemeinsam mit dem Historiker Arne Krasting betreiben und in dem sich alles um die Zwanziger Jahre dreht.
Else Edelstahl: (lacht) Das ist natürlich ein sehr guter Tipp! Die erste Folge ist direkt ein Einstieg ins Nachtleben der damaligen Zeit. Und es gibt auch Folgen, die sich explizit mit den Tänzen oder der Kleidung der Zwanziger befassen. Wer eventuell noch nicht genau weiß, wie der Abend am Besten anzugehen ist, findet entweder dort oder auf unserer Website eine gute Anlaufstelle.
Frau Edelstahl, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Michael Stocker
Bohème Sauvage: am 28.09.2024 um 22 Uhr im Volkshaus Jena. Weitere Informationen sind zu finden unter www.boheme-sauvage.com oder www.volkshaus-jena.de!
Dieses Interview erschien in Ausgabe Nr.162 im Stadtmagazin07.