Western am Theaterhaus

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In der Inszenierung „Die Gesetzlosen“ dreht das Theaterhaus Jena die Zeit zurück in das Jahr 1894. Und auch der Kontinent wird gewechselt, denn es geht in den sogenannten „Wilden Westen“! Begleitet wird eine Gruppe Gesetzloser bei ihrem Versuch, einen sicheren Ort für alle Personen zu schaffen, die nicht in das typische Wild-West-Bild passen.

Die vielfach ausgezeichnete US-amerikanische Autorin Anna North veröffentlichte 2021 mit „Outlawed“ (dt. Titel: „Die Gesetzlose“) einen Roman, der in der Zeit des „Wilden Westens“ angesiedelt ist. Erzählt wird darin die Geschichte derjenigen, die in der Historie der Besiedlung der USA bislang unsichtbar sind: Frauen, People of Color, Non-Binäre Personen, Homosexuelle. Regisseurin Anne Sophie Kapsner bekam das Buch ein gutes Jahr später in die Hände und hatte sofort ein Bühnenstück im Kopf. Wie gut, das fast zeitgleich das Theaterhaus Jena zum Open Call gerufen hatte…

Doch werfen wir gemeinsam mit der Theatermacherin zunächst einen Blick auf das Stück: Eine Grippewelle hat die Gegend heimgesucht, viele Menschen hat es dahingerafft. Der Fokus in dieser durch und durch patriarchalischen Gesellschaft liegt nun auf der Produktion von Kindern – mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung. Denn nur wer viele Kinder zeugt oder zur Welt bringt, steigt im gesellschaftlichen Ansehen. Diejenigen, die keine Kinder bekommen können oder wollen, werden nach und nach zu Ausgestoßenen.

In deren Welt gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder der Gang ins Kloster – oder der Eintritt in die „Hole in the Wall“-Gang. Auch die 17-jährige Ada, die nach einem Jahr Ehe immer noch kein Kind bekommt, schließt sich der Bande an – und hier setzt die Bühneninszenierung ein: „Die Gang öffnet sich mehr und mehr und wird Zufluchtsort für die aus der Gesellschaft Ausgestoßenen. In unserer Inszenierung sehen wir ihre Entwicklung, erleben Zwistigkeiten untereinander und bekommen Einblicke in die persönlichen Geschichten der Bandenmitglieder. Vor allem aber begleiten wir sie bei ihrem Wunsch, einen Ort zu kreieren, an dem alle sicher und willkommen sind.“

Auch wenn die Gang etwas Gutes schaffen möchte: um überhaupt Überleben zu können, müssen die Mitglieder Verbrechen begehen – was sie in den Augen der „normalen“ Gesellschaft zu etwas Bösem macht. „Eigentlich möchte die Gang gar nicht als Bedrohung wahrgenommen werden, weil das ihrem Ansinnen als eine Art safer space für alle Menschen entgegen steht. Die „Hole in the Wall“-Gang denkt deshalb größer und möchte mit einen Kniff die bisherige kapitalistische Ordnung außer Kraft setzen“, gibt die Regisseurin weitere Einblicke in das Stück. Ob dieser Plan aufgeht, wird aber noch nicht verraten.

Mit „Die Gesetzlosen“ kommt ein Western ans Theaterhaus.
Grafik: Fang Sheng Chou

In Wahrheit war der sogenannte „Wilde Westen“ natürlich bei Weitem nicht so wild-romantisch, wie er gerne in den Spielfilmen dargestellt wird. Trotzdem wird das Ensemble mit allen Klischees spielen, die man von einem Western kennt – und wohl auch erwartet. „Wir arbeiten mit Videos, welche die Tiefe und Weite der Prärie erzeugen. Zudem wird es typische Kameraeinstellungen des Western geben, etwa die berühmten Nahaufnahmen von Augen und ähnlichem mehr. Und Westernmusik darf natürlich auch nicht fehlen!“ Trotz des ernsten Themas verspricht das Stück also schon allein durch das Setting ziemlich unterhaltsam zu werden. Anne Sophie Kapsner: „Wenn böse Blicke im Saloon ausgetauscht werden, Flügeltüren auffliegen und der Whiskey über die Bar geschoben wird, ist das schon allein durch die typische Western-Überhöhung zum Schreien komisch.“

Blicken wir aber noch einmal auf den Open Call des Theaterhauses, in dem die damals noch in den Startlöchern stehende künstlerische Leitung freie TheatermacherInnen dazu aufrief, ihre eigenen Ideen und Stücke einzureichen. „Die Gesetzlosen“ ist eine der drei Inszenierungen, die es schlussendlich in die Spielzeit schafften. „Das war ein aufregender Weg. Wir schickten die Bewerbung im Sommer 2023 ab und vier Monate später kam der Anruf, dass wir in der nächsten Runde sind. In dieser haben wir das Konzept an die die Begebenheiten des Hauses angepasst und schafften es bis ins Finale. In diesem stimmten schlussendlich die Mitarbeitenden des Theaterhauses darüber ab, welche drei der verbliebenen Vorschlägen angenommen werden. Wir sind wirklich sehr glücklich, einen Platz davon bekommen zu haben.“

Die Gesetzlosen: am 08.05. (Premiere), 09.05., 29.05., 30.05. und 31.05. um jeweils 20 Uhr am Theaterhaus Jena. Tickets sowie weitere Informationen sind erhältlich unter www.theaterhaus-jena.de!

Text: Michael Stocker
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 169 im Stadtmagazin 07.