Das Patentrezept für jeden müßigen Wintertag? Ein behagliches Plätzchen, eine warme Kanne Tee und natürlich: ein gutes Buch. Sollte es Ihnen dabei noch an geeignetem Lektürematerial mangeln, wir hätten da noch ein paar Leseempfehlungen – die wir gern mit Ihnen teilen.
Für Graphic Novel-Fans ein Muss: Paul Austers „New-York-Trilogie“, illustriert von Paul Karasik, Lorenzo Mattotti und David Mazzucchelli
Es gibt da diese kleine Anekdote: Bevor der amerikanische Karikaturist Paul Karasik als Comickünstler bekannt wurde (und unter anderem den renommierten Eisner Award verliehen bekam), verdingte er sich in den 1980er Jahren als Kunstlehrer an einer Schule in Brooklyn. Wie es der Zufall wollte, war einer seiner Schüler der Sohn von Paul Auster – jenes Autors, der mit seiner 1987 vollendeten „New-York-Trilogie“ weltweiten literarischen Ruhm erlangte. Als Vorbereitung auf eine Elternsprechstunde, vielleicht auch, um dem plötzlich berühmten Autor zu schmeicheln, nahm sich Karasik die Roman-Trilogie zur Hand – und war von der enigmatisch-eleganten, metafiktiv-unheimlichen Detektivgeschichte so gefangen, dass er sofort damit begann, ein paar erste grafische Skizzen zum Roman anzufertigen. Welche dann jedoch zunächst wieder in der Schublade landeten und in Vergessenheit gerieten. Bis sich gut zehn Jahre später ein befreundeter Kollege, der Pulitzer-Preis gekrönte Comic-Autor Art Spiegelman, bei Karasik meldete – er helfe gerade einem New Yorker Verlag, zeitgenössische Noir-Literatur in Comics zu adaptieren. Sie hätten da auch schon ein vielversprechendes Buch in Betracht gezogen, allerdings hätten sich an der erhofften grafischen Umsetzung bereits mehrere Künstler die Zähne ausgebissen – ob das Projekt nicht etwas für ihn, Karasik, wäre? Wie es sich herausstellte, handelte es sich bei besagtem Buch um „Stadt aus Glas“ von Paul Auster – wie es der Zufall wollte also genau um jenes Buch, für das Karasik schon seit zehn Jahren erste Entwürfe auf Halde hatte.

1994 erblickte Paul Karasiks Graphic Novel-Adaption von „Stadt aus Glas“, die er in Zusammenarbeit mit dem Comic-Autor David Mazzucchelli erstellte, schließlich das Licht der Welt. An ästhetischem Wert hat das Buch, welches vom amerikanischen „Comics Journal“ als eines der „100 besten Comics des 20. Jahrhunderts“ gelistet wird, seitdem nichts eingebüßt. Die beiden Comic-Illustratoren haben für die abgründige Geschichte Austers ebenso grandiose wie zugleich beklemmende Bilder gefunden. Nur fehlte es in der Folge an der grafischen Umsetzung der beiden anderen Teile der Trilogie – 30 Jahre lang, bis jetzt: Unter der kreativen Leitung Paul Karasiks haben nun auch „Schlagschatten“ und „Hinter verschlossenen Türen“ ihre Verwandlung in Graphic Novels erfahren. Für den zweiten Teil konnte er den mehrfach preisgekrönten italienischen Comiczeichner Lorenzo Mattotti gewinnen, die Illustration des dritten Buchs übernahm Karasik in Eigenregie.
Trotz der zeitlichen Abstände der Entstehung, trotz der auf den ersten Blick erkennbaren unterschiedlichen Zeichenstile – „Stadt aus Glas“ wird im klassischen Neun-Panel-Raster erzählt, „Schlagschatten“ wiederum in seitenfüllenden Einzelbildern, „Hinter verschlossenen Türen schließlich in einer Mischung aus klassischen Rastern und offenen Darstellungen, die weniger der Form, sondern dem Inhalt folgen – ergeben die drei illustrierten Geschichten in der Gesamtheit eine homogene, in sich stimmige, durchweg faszinierende und ausdrucksstarke (S/W-Bilder)Geschichte, die sowohl auf der Bild- als auch auf der Textebene meisterhaft funktioniert. Was unter anderem auch an der Vorgabe Paul Austers liegen dürfte, der Karasik für die Adaption seines Kultromans seinerzeit zwar komplette Freiheit hinsichtlich der grafischen Umsetzung gewährte, darüber hinaus jedoch auf eine wortgetreue Wiedergabe seiner Texte bestand. Kondensieren ja, verändern nein. Dies hat nun zwar zur Folge, dass Leser:innen, die mit Austers verschlungener Detektivgeschichte bislang noch nicht vertraut sind, mitunter etwas Mühe haben könnten, all die rätselhaften Verstrickungen der Geschichte in der nun stark verdichteten Bildgeschichte gleich beim ersten Lesen zu erfassen – offenbart aber zugleich das große Potential dieser formvollendeten Graphic Novel: In jeder Wiederbegegnung lassen sich weitere Schichten in Paul Austers hochkomplexer Geschichte freilegen. Für Auster- und Comic-Fans ist diese Graphic Novel-Adaption der „New-York-Trilogie“ eine klare Bereicherung, für Neueinsteiger die perfekte Möglichkeit, sich davon ein Bild zu machen, was Graphic Novel alles kann.
Paul Auster: „New-York-Trilogie. Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen“
Illustriert von Paul Karasik, Lorenzo Mattotti und David Mazzucchelli
Reprodukt Verlag, 400 Seiten (geb.)








































































































































































































