Jedes Türchen ein Pläsierchen: Der Stadtmagazin 07-Adventskalender –

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Sie brauchen dieser dunklen Tage mal wieder frische Lektüreideen? Wissen wieder einmal nicht, was verschenken an Weihnachten? Ein Buch geht immer – und Vorschläge haben wir reichlich. Bis zum 24. Dezember öffnen wir hier täglich ein weiteres Türchen, um Ihnen eines jener Bücher mit dem besonderen Etwas vorzustellen, die dieses Jahr das Licht der Welt erblickt haben. Kommen Sie mit uns auf Adventslese – möglicherweise werden Sie ja fündig. Hinter Türchen Nr. 8 zum Vorschein kommt:

Jonathan Franzen: »Crossroads«

Jonathan Franzen: „Crossroads“
Rowohlt Verlag, 832 Seiten (geb.)

Fulminanter Familienroman

Nachdem Jonathan Franzen sich in den letzten Jahren eher auf dem Gebiet des Sachtextes und der Essayistik betätigt hat, ist er diesen Herbst wieder zur guten alten Fiktion zurückgekehrt und hat mit „Crossroads“ seinen nunmehr sechsten Roman vorgelegt. Als ersten Teil einer mehrere Bände umfassenden Generationensage angekündigt. Familie, Moral, Religion und Vergebung als Schwerpunkte.

Im Zentrum des Geschehens: Russ Hildebrandt, Familienvater und Pastor der lokalen protestantischen Gemeinde – und offensichtlich gerade in einer ordentlichen Lebenskrise gefangen. Die eigene Frau lebt ein Leben, das sie vor ihm geheim hält, die drei adoleszenten Kinder wandeln auch nicht gerade unbekümmert auf Pfaden frei von Sorgen und Lastern, in seiner Gemeinde findet er schon lange nicht mehr den Rückhalt, den er sich eigentlich wünscht und dann ist da noch die zehn Jahre jüngere Frau, in die er sich ein Stück zu sehr verliebt hat. Irgendwie fühlt sich Russ Hildebrandt sehr versucht, aus seinem bisherigen Leben ausbrechen, alles zurückzulassen und neu zu starten – wäre es nur nicht gerade ein Tag vor Heiligabend…

Siebziger Jahre, USA, ein fiktiver Vorort von Chicago als Schauplatz. Wieder ein Buch mehr 800 Seiten stark, wieder eine Geschichte über eine Familie am Scheideweg, wieder in tragikomischer Form präsentiert, wieder voller moralischer Fragen und komplex gestrickter Charaktere, die sich einer allzu einfachen Gut-Böse-Verortung geschickt entziehen. Lohnt sich das? Immer. Romane von Franzen lesen ist – nun, wie beim Bäcker sich diese eine Sorte Kuchen holen, von der man weiß, dass sie einem bisher immer geschmeckt hat und wohl auch immer schmecken wird. Was das angeht, ist der 1959 geborene US-Amerikaner einfach eine sichere Bank, der perfekte Romanbäcker. Obwohl Franzen, wie er in einem Interview eingestand, bei diesem Roman tatsächlich seine ‘Erzählrezeptur‘ ein klein wenig abgewandelt hat. Erstmals, so seine Aussage, habe er beim Schreiben der Versuchung widerstanden, sich über seine Romanfiguren lustig zu machen. Und so erzählt er die vielschichtige Geschichte von „Crossroads“ ganz ohne über seine wie immer ungemein lebensecht wirkenden Figuren zu urteilen, selbst wenn diese es vermeintlich verdient haben.

Zugegeben, beim Stichwort ‘Familienroman‘ verfällt nicht jeder Mensch sofort in helle Begeisterung. Handelt es sich jedoch um einen Familienroman wie er hier mit „Crossroads“ geschaffen wurde – also ein Roman voller Tiefgang, multiperspektivisch, höchst lebendig und vor allem stets spannungsreich erzählt, dann kann es durchaus dazu führen, dass man sich – um auf das oben aufgeführte ‘Bäckerkuchen-Bildnis‘ noch einmal zurückzukommen – geradezu zurückhalten muss, das einmal zur Hand genommene Buch vom Format eines Ziegelsteins nicht in einem Zuge zu verschlingen. Andererseits, warum eigentlich nicht?