Lesestoff für die Dunkelzeit

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Mit dem neuerlichen bundesweiten Lockdown ist der Zugang zu kulturellen Angeboten außerhalb der eigenen vier Wände erneut empfindlich eingeschränkt worden – ein Umstand, der das Buch noch mehr als sonst in der dunklen Jahreszeit zu einer willkommenen Alternative werden lässt. Bei der Qual der Wahl der passenden Lektüre stehen wir natürlich gern hilfreich zur Seite — mit Büchertipps zu aktuellen Neuerscheinungen. Heute:

»HILLMANN – Ein Zeichner und seine Welten«

Großmeister der Neunten Kunst

„HILLMANN – Ein Zeichner und seine Welten“, avant-verlag, 264 Seiten (geb.)

Unter Gestaltern, Zeichnern und Grafikdesignern älteren Semesters zählt der Name Hans Hillmanns schon seit den 50er Jahren zu den ganz Großen des Genres. Wie wohl kein anderer prägte der 1925 in Schlesien geborene Künstler mit seiner ureigenen Formensprache die Plakatkunst im Nachkriegsdeutschland, sorgte mit seinen zahlreichen Kinoplakat-Entwürfen für das Autorenkino (mehr als 130 in gut zwanzig Jahren) weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufmerksamkeit und gilt heute zurecht als einer der Begründer des modernen deutschen Filmplakats. Langjährigen LeserInnen der „Süddeutschen Zeitung“, des „FAZ Magazin“ oder der Zeitschrift „Natur“ dürfte Hillmann, der seine Karriere als Werbegrafiker und Gestalter von Filmplakaten irgendwann gegen eine Professur an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Kassel eintauschte, überdies durch seine zahlreichen Illustrationen von Stadtansichten oder seiner Serie berühmter Liebespaare in Erinnerung sein; Freunde wohlgestalteter Bücher schätzten zudem auch seine stets perfekt auf den zugehörigen Text abgestimmten Illustrationen. 

Einen geradezu sensationellen Erfolg erzielte der Illustrator Hillmann 1982 mit der Publikation von „Fliegenpapier“. Gut sieben Jahre hatte Hillmann an seiner illustratorischen Adaption der gleichnamigen Hard-Boiled-Kurzgeschichte von Dashiell Hammett aus dem Jahre 1929 gearbeitet: Das Ergebnis – ein Film Noir in gemalten, großformatigen Schwarz-Weiß-Grau-Bildern, der in seiner wirkmächtigen Licht-Schatten-Ästhetik die gewaltvolle und dreckig-düstere Atmosphäre der literarischen Vorlage perfekt einfängt – wird von vielen Comic-Historikern heute nicht nur als erste Graphic-Novel überhaupt gepriesen, sondern ebenso als ein geradezu zeitloses Meisterwerk der Comic-Kunst geadelt, welches in seiner expressionistischen Wucht noch viele nachkommende Generationen an Graphic-Novel-Fans begeistern dürfte.

Eindrucksvolle Werkschau eines begnadeten Illustrators

Mit der Wiederveröffentlichung dieses Klassikers der Bilderzählung ein Jahr nach dem Tod des Illustrators im Jahr 2014 sorgte der avant-verlag dafür, dass das stets schnell vergriffene Buch weiterhin zugänglich bzw. erhältlich bleibt. Um darüber hinaus auch Hans Hillmanns sonstiges illustratorisches Vermächtnis vor dem Vergessen bewahrt zu wissen, hat der Berliner Comickunst-Verlag nun einen Kunst-Prachtband zusammengestellt, der unter dem schlichten Titel „Hillmann“ auf mehr als 250 Seiten eine eindrucksvolle Werkschau sämtlicher Illustrationsarbeiten bereithält. Vieles darin stammt aus dem Nachlass des Künstlers, so manches wird erstmals seit Jahrzehnten wieder einem Publikum, manch anderes sogar erstmalig zugänglich gemacht; alles darin wartet darauf, neu- oder wiederentdeckt zu werden, unverhohlene Begeisterung auszulösen und herauszustellen, welches Ausnahmetalent der Illustrator Hans Hillmann war. Das gelingt ziemlich überzeugend und lohnt sich unbedingt: Wer das Buch einmal aufschlägt, wird sich darin im Nu festblättern. In fünf Kapiteln wird darin ein umfassendes Bild von Hillmanns langjährigem Schaffen als Illustrator geschaffen, wobei dies weniger einer Chronologie folgend als vielmehr auf Grundlage thematischer Schwerpunkte geschieht. So lässt das Kapitel „Städte und weitere Landschaften“ etwa Hillmann als zeichnenden Reporter erfahrbar werden, der wiederholt Italien und Frankreich bereiste und Land und Leute zumeist aus einer eher ungewöhnlichen Perspektive eindrucksvoll porträtierte bzw. stimmungsvoll dokumentierte.

„Berühmte Liebespaare“ wiederum eröffnet einen umfassenden Einblick in die in den Jahren 1990-95 in Auftrag des FAZ Magazins entstandene Artikelserie, die jeweils aus einem Text und einem zugehörigen, von Hillmann geschaffenen untereinander korrespondierenden Bildpaar bestand und unter anderem bekannte Liebespaare der Liebespaare wie Ingrid Bergman und Roberto Rosselini, Henriette und Casanova oder Claretta Petacci und Benito Mussolini eine besondere Bühne bereitete. Und das Kapitel „Sequenzen“ lässt deutlich zutage treten, dass Hillmann trotz aller Reserviertheit, die er grundsätzlich gegenüber comicstripartigem Erzählen hatte, sich auch über sein 250 Illustrationen umfassendes „Fliegenpapier“-Meisterwerk hinaus bestens auf das sequentielle Erzählen verstand und immer wieder Illustrationen für Bücher erschuf, die als komponierte Bildfolgen auch ganz eigenständig und ohne Begleittexte behände ‘zu erzählen‘ wissen.

Einziger Wehmutstropfen: Da sich das Buch ausschließlich auf Hillmanns Schaffen als Illustrator konzentriert, bleiben seine genialen Plakatentwürfe außen vor – hätten in ihrer schieren Vielzahl allerdings wohl auch den Rahmen dieser Werkschau gesprengt. Aber vielleicht hält die Zukunft ja noch ein weiteres, den Plakat-Schöpfungen des Künstlers gewidmetes „Hillmann“-Buch bereit. Lohnenswert und eine perfekte Ergänzung zu dem vorliegenden Bildband wäre es allemal.