Rebellischer Abschied

104

Mit der Inszenierung von „Carol.“, dem Sommertheater anlässlich der KulturArena, endet die Zeit des aktuellen Theaterhaus-Ensembles. Wir trafen wir uns noch einmal mit den Schauspielerinnen Pina Bergemann und Anna K. Seidel sowie dem Dramaturgie-Assistenten Anton Conrad und blickten voraus auf die Premiere – und zurück auf die vergangenen Jahre.

Das Finale der aktuellen Spielzeit, gleichzeitig auch der Abschied der künstlerischen Leitung um Lizzy Timmers und Maarten van Otterdijk, beschäftigt sich mit einer großen Denkerin der Romantik: Caroline Schlegel-Schelling. Oder kurz „Carol.“, wie sie ihre Texte stets in den Manuskripten ihres Mannes August Wilhelm Schlegel kennzeichnete.

Der Name Caroline Schlegel wird vielen Menschen in Jena schon einmal begegnet sein. Doch was für eine Frau war sie eigentlich? Schauspielerin Anna K. Seidel fasst kurz zusammen, welches Bild von ihr in den Recherchen zum Stück entstand: „Caroline war sehr mutig, äußerst belesen und hoch geschätzt. Ihre angesehene Stellung in der damaligen Gesellschaft war für eine Frau nicht selbstverständlich.“ Pina Bergemann ergänzt: „Das ist umso erstaunlicher, da sie keine eigenen Werke hinterlassen hat. Caroline Schlegel wirkte eher als Lektorin für ihren Mann, ihre eigenen Schriften bestehen nur aus hinterlassenen Briefen. Trotzdem erfuhr sie viel Zuspruch. Wieland sagte zum Beispiel über sie: ein Zunicken von ihr war mehr Wert als das Geschnatter aller übrigen Rezensenten. Ihre Meinung wurde also gern gehört und beachtet.“

Was ebenfalls von Caroline Schlegel bekannt ist: sie war eine gute Gastgeberin, die ihr Heim bereitwillig für die Treffen der Frühromantiker öffnete. Sie sorgte oft für warme Mahlzeiten, auch wenn über diese nicht immer nur mit Lob gesprochen wurde. Doch wieso hat sie nie die Anerkennung erfahren, die ihr eigentlich zugestanden hätte? Pina Bergemann macht es kurz: „Weil sie eine Frau gewesen ist.“

Gut, dass das Theaterhaus nun einmal den Fokus in Form eines Theaterstückes auf sie richtet. Bekommen wir zum KulturArena-Sommertheater also eine reine Biografie zu sehen? „Jein“, antwortet Pina Bergemann. „Es geht neben Caroline Schlegel natürlich auch um die ganze Zeit der Frühromantiker in Jena. Eine Vielzahl derer, die damals das Denken prägten, tauchen auch bei uns auf der Bühne auf. Das waren die Rebellen ihrer Zeit, sie stellten sowohl gesellschaftlich als auch politisch vollkommen neue Fragen, die uns teils bis heute begleiten.“

Das aktuelle Ensemble verabschiedet sich mit der Inszenierung „Carol.“ vom Theaterhaus Jena.
Foto: Felix Adler

Wie es sich für ein Sommertheater gehört, wird das Ganze natürlich sehr unterhaltsam. Befördert durch ein spannendes Bühnenbild, den Kostümen und viel Musik wird es tolle Bilder geben, welche die Gäste des Spektakels in die Welt und das Gefühl der Frühromantik eintauchen lassen. „Den Spaß an der Neugierde, den die Frühromantiker während ihrer Schaffensperiode hatten, wollen wir auch auf die Bühne bringen“, blickt Anna K. Seidel auf die Premiere voraus.

Leider bedeutet das Stück auch gleichzeitig den Abschied des aktuellen Ensembles von den Bühnen der Stadt. Jena erlebte in den letzten Jahren eine tolle Theaterhaus-Zeit voll sprudelnder Kreativität, der Meisterung schwerer Pandemie-Hürden, der Schaffung von neuen Führungs-Strukturen, zahlreichen ausverkauften Aufführungen und erfolgreichen Stücken – am Ende gekrönt mit Preisen und überregionaler, ja sogar internationaler Anerkennung für die „Hundekot-Attacke“, die es sogar bis in die New York Times schaffte.

In unserer Gesprächsrunde verbrachte Dramaturgie-Assistent Anton Konrad die kürzeste Zeit am Theaterhaus: „Ich war zwar nur ein Jahr da, habe das Haus aber als einen Ort der fast unbegrenzten Möglichkeiten kennengelernt. Hier darf man sich Sachen trauen und ausprobieren, ohne schräg angeschaut zu werden.“ Dem pflichtet Pina Bergemann bei: „Ich bin vielleicht als Schauspielerin gekommen, gehe aber als Theatermacherin. Und so geht es vielen von uns. Das war ein intensiver, lehrreicher Abschnitt voller Erfahrungen und Entwicklungen“, blickt sie durchaus mit etwas Wehmut auf ihre Zeit am Theaterhaus zurück.

Zu guter Letzt lässt sich noch eine passende Parallele zwischen dem (noch) aktuellen Ensemble und Caroline Schlegel-Schelling ziehen: „Caroline Schlegel war sechs Jahre in Jena, die Zeit des Ensembles ging ebenso lang“, lacht Anton Conrad. Na wenn das nicht passend ist! Alles Gute und auf Wiedersehen in Jena!

Carol.: am 03.07. (Premiere), 04.07., 05.07., 06.07. und 07.07.2024 um jeweils 21.30 Uhr auf dem Theatervorplatz. Karten sowie weitere Informationen sind erhältlich unter www.theaterhaus-jena.de!

Text: Michael Stocker
Teaserfoto: Joachim Dette

Dieser Text erschien in Ausgabe Nr. 161 im Stadtmagazin07.