Das Patentrezept für jeden müßigen Wintertag? Ein behagliches Plätzchen, eine warme Kanne Tee und natürlich: ein gutes Buch. Sollte es Ihnen dabei noch an geeignetem Lektürematerial mangeln, wir hätten da noch ein paar Leseempfehlungen – die wir gern mit Ihnen teilen.
Mit Verve und Furor vorgetragen: Kathrine Nedrejords „Acht Jahreszeiten“
Hoch oben im Norden Europas leben die Samen. Einstmals das Urvolk der Region, sind die Samen heute sowohl in Norwegen und Schweden wie auch in Finnland und Russland eine Minderheit im eigenen Land. Das kommt nicht von ungefähr: Aus wirtschaftlichen und rassistischen Gründen wurde der Lebensraum der nomadisch lebenden Samen, die jahrhundertelang neben Ackerbau und Fischfang vor allem von ihren Rentierherden lebten, ähnlich wie bei den Ureinwohnern Australiens oder Nordamerikas immer mehr eingeschränkt. Erst in den letzten Jahrzehnten haben Schweden, Norwegen und Finnland damit begonnen, sich mit dem viel zu lange verleugneten, vergessenen und verdrängten Schicksal der Sami auseinanderzusetzen – sowohl auf politischer wie auch auf soziokultureller Ebene. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zu dieser Aufarbeitung dürften hierbei auch verschiedene literarische Aufarbeitungen des schwergewichtigen Themas leisten, wie etwa zuletzt geschehen durch Buchveröffentlichungen der beiden schwedisch-samischen Autorinnen Elin Anna Labba („Das Echo der Sommer“) und Ann-Helén Laestadius („Die Zeit im Sommerlicht“), die sich in ihren Romanen eindringlich mit der Zwangsumsiedlung und Zwangserziehung ihrer Vorfahren befassten.

Auch Kathrine Nedrejord, Angehörige der samischen Minderheit in Norwegen, hat die Wut über all die Ungerechtigkeit, die ihr und ihren Vorfahren durch den norwegischen Staat widerfahren ist, literarisch verarbeitet. Die 1987 in der Finnmark geborene Autorin erzählt in „Acht Jahreszeiten“ von der Geschichte der Sami in Norwegen. Es ist eine Geschichte, die in der norwegischen Öffentlichkeit noch bis in die 1960er Jahre weitgehend unsichtbar gemacht und lediglich als das „Sami-Problem“ bezeichnet wurde. Bereits seit Mitte des vorangegangenen Jahrhunderts herrschte in Norwegen eine rücksichtslose Assimilierungspolitik: In Schulen und öffentlichen Einrichtungen war die samische Sprache verboten, das indigene Volk galt als minderwertig, Ziel war die vollkommene Assimilation in ein homogenes Norwegen. Wie ihre Hauptfigur Marie, die als ihre Großmutter stirbt nach Jahren im Ausland erstmals wieder in die alte Heimat reist, hat auch Kathrine Nedrejord dank der über Jahrzehnte erfolgten Assimilationsbestrebungen der norwegischen Regierung kaum noch einen Bezug zu Geschichte und Tradition ihrer Vorfahren. Entsprechend auch nichts davon weiß, dass es in der Kultur der Samen beispielsweise nicht nur vier, sondern acht Jahreszeiten gibt. Von der Existenz einer ureigenen Samikultur erfährt sie überhaupt erst, als sie eines Sommers als Guide in einem Sami-Museum arbeitet. Zunächst mit den Augen einer Besucherin, schon bald jedoch als selbstbewusste Nachfahrin der Ureinwohner beginnt sie die Biografie der Frauen ihrer Familie zu erforschen – die der Urgroßmutter mütterlicherseits, der Großmutter, Mutter und schließlich ihre eigene. Diese erweist sich rasch als eine Geschichte doppelter Diskriminierung und Marginalisierung – weil sie Frauen, vor allem aber, weil sie Saminnen sind.
„Acht Jahreszeiten“ ist ein Roman über Identität, Frauenrollen und die Unterdrückung eines der größten indigenen Völker Europas; ein durchweg lesenswerter Roman, vorgetragen voller Furo, Trotz und starker innerer Haltung – dem es bei allem Schmerz, der zwischen den Seiten durchscheint ohne weiteres gelingt, nicht in diesem steckenzubleiben – vielmehr dazu auffordert hinzuschauen: Sieh, das ist unsere Geschichte!
Kathrine Nedrejord: „Acht Jahreszeiten“
Eichborn Verlag, 396 Seiten (geb.)








































































































































































































