Eine DDR in Afrika

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Heutzutage ist es gar nicht mehr so ungewöhnlich, nach Afrika zu reisen. Vor dem Mauerfall war es das schon. Die gebürtige Erfurterin Dominique Engler hat es erlebt – damals noch als kleines Mädchen – und einen autobiografischen Roman darüber geschrieben. In »Mutti, sind wir Stasi?« erzählt sie ihre Geschichte: von der Sehnsucht nach aufregenden Abenteuern auf einem anderen Kontinent, dem Ankommen in der Realität und geplatzen Träumen.

Frau Engler, worum geht es in Ihrem Buch genau?

Dominique Engler: Um eine ostdeutsche Familie — in diesem Fall meine eigene. Wir erfuhren 1978, dass wir als Entwicklungshelfer nach Afrika gehen werden. Für mich als sechsjähriges Kind war das natürlich eine andere Sache als für meine Eltern. Diese wurden auf die Zeit vorbereitet, besuchten Seminare und Kurse und wurden in der DDR auch politisch geschult. Ich hingegen hatte ganz andere Vorstellungen von Afrika. 

Dominique Engler
(Foto: Dominique Engler)

Sie erwarteten einen Kontinent voller Abenteuer?

Engler: Genau. Der Dschungel, all die großen Tiere, die riesige Savanne — meine Fantasie kannte keine Grenzen. Ich bekam damals von meiner Großmutter ein bebildertes Buch geschenkt. »Eva in Afrika«, von der ungarischen Autorin Zenta Ergle. Eva erlebt darin viele aufregende Dinge und ich dachte: so wird es bei mir auch werden. Eigentlich konnte ich es kaum erwarten, dass es losgeht.

Das hat aber noch eine Weile gedauert.

Engler: Bis zu unserer Abreise vergingen noch zwei Jahre, die sich für mich wie ein endlos langes Warten anfühlten. Es war zunächst nicht klar, in welches Land es gehen wird. Dazu kamen viele bürokratische Hürden, welche unsere Abreise verzögerten. Schlussendlich sind wir im Sommer 1980 nach Mogadischu geflogen, aber nach unserer Ankunft erlebte ich ein anderes Afrika, als ich es mir erdacht hatte.

Darauf zielt letztendlich auch Ihr Buchtitel ab.

Engler: In Somalia ist mir auch als Kind schnell klar geworden, dass wir dort nicht frei leben können. Alles war organisiert und überwacht. Wir wohnten isoliert in einem Compound — einer abgegrenzten Siedlung — ausschließlich mit anderen Familien aus der DDR, hatten eine eigene Schule und meine Pionierbluse lag immer griffbereit. Selbst in diesem winzigen Compound gab es einen Parteisekretär. Dieser hat mir schnell zu verstehen gegeben, dass ich nur mit Kindern aus den Bruderländern sprechen durfte. Und so platzten meine Träume. Es war eine DDR in klein, nur das man sie durch den begrenzten Raum noch viel intensiver erlebt hat.

Sie haben damals als noch junges Mädchen die DDR schon bewusst wahrgenommen?

Engler: Auf eine kindliche Art, ja. Mir war früh klar, dass da Mauern sind. Ich habe vor unserer Abreise nach Somalia schon oft in den Atlas geschaut. Trotzdem sind wir immer nur nach Bulgarien oder Ungarn gefahren, andere Länder waren tabu. Da habe ich dann schon mal intensiver nachgefragt. Aber von den politischen Gegebenheiten wusste ich natürlich noch nicht so viel.

Warum haben Sie sich für einen Roman und nicht für eine klassische Biografie entschieden?

Engler: In dieser Art zu schreiben fühle ich mich wohl. Die Veröffentlichung ist zwar mein Debütroman, aber nicht der erste Text, den ich in dieser Art geschrieben habe. Zudem wollte ich meine Geschichte auch nicht einfach nur nacherzählen, sondern fand eine künstlerische Verarbeitung passender. Der Schriftsteller Uwe Johnson schrieb einmal von »tatsächlichen Erfindungen« — das trifft es ziemlich genau.

Konnten Sie Mogadischu schon einmal wieder besuchen?

Engler: Leider nein. Den Zeitpunkt, als man noch halbwegs problemlos nach Somalia reisen konnte, habe ich verpasst. Und heute ist eine Reise nach Mogadischu einfach zu gefährlich. Aber ich war trotzdem wieder dort, irgendwie …

Wie das?

Engler: Ich habe eine virtuelle Fahrt in einem Taxi unternommen. Der Fahrer hat die Tour ins Internet gestreamt und so konnte ich die Stadt erneut entdecken. Das Stadtbild, so wie ich es in Erinnerung habe, hat sich natürlich stark verändert. Der Bürgerkrieg mit all seinen Folgen hat tiefe Spuren hinterlassen. Das bunte Treiben, wie ich es als Kind erlebt habe, gibt es nicht mehr.

Der Traum vom »Abenteuer Afrika« hat sich als Kind für Sie nicht erfüllt. Würden Sie die Reise trotzdem noch als ein solches beschreiben?

Engler: Definitiv. Sogar als lebenslanges Abenteuer, denn diese Zeit hat mein persönliches Verständnis von Leben und Freiheit enorm geprägt — und tut es immer noch..

Danke für das Gespräch. 

(Cover: Buchverlag Andrea Stangl)

Dominique Engler —
»Mutti, sind wir Stasi?«

Buchverlag Andrea Stangl, 292 Seiten ISBN 978 -3-7519-1861-9