Lesestoff für die Dunkelzeit

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Mit dem anhaltenden Lockdown ist der Zugang zu kulturellen Angeboten außerhalb der eigenen vier Wände erneut empfindlich eingeschränkt – ein Umstand, der das Buch noch mehr als sonst zu einer willkommenen Alternative werden lässt. Bei der Qual der Wahl der passenden Lektüre stehen wir natürlich gern hilfreich zur Seite — mit Büchertipps zu aktuellen Neuerscheinungen. Heute:

Annet Mooij: »Das Jahrhundert der Gisèle. Mythos und Wirklichkeit einer Künstlerin«

Fesselndes Porträt einer niederländischen Ikone

Annet Mooij: „Das Jahrhundert der Gisèle. Mythos und Wirklichkeit einer Künstlerin“
Büchergilde Gutenberg, 480 Seiten (geb.)

Lust, eine Person der jüngeren Zeitgeschichte kennenzulernen, die in all ihrer Faszination und mit den Lebensspuren, die sie hinterlassen hat, Ihnen wahrscheinlich bislang unbekannt geblieben ist? Gisèle van Waterschoot van der Gracht (1912-2013), Tochter einer österreichischen Baronesse und eines Amsterdamer Patriziers, war eine Jahrhundertgestalt mit ungewöhnlicher künstlerischer Laufbahn: Sie war Malerin und Mäzenin, Teppich-Designerin und Restauratorin, hatte unzählige Affären, lebte in ihrer Jugendzeit vorübergehend auf einem Schloss, später in einer alten Klosteranlage auf der griechischen Insel Paros; sie war befreundet mit Aldous Huxley und Partygast bei Lion Feuchtwanger, Max Beckmann verhalf sie zur Emigration in die USA. Während der deutschen Besatzung bot Gisèle zusammen mit dem Dichter Wolfgang Frommel jüdischen Jungen Zuflucht in ihrer Amsterdamer Wohnung in der Herengracht, genannt „Castrum Peregrini“. Nach dem Krieg entstand daraus wiederum eine exklusive künstlerische Lebensgemeinschaft, um die so manch Gerücht, Legende und Fragezeichen kreiste – und auch heute noch kreist. Annet Mooij geht in ihrer Biografie „Das Jahrhundert der Gisèle dem Leben der in den Niederlanden längst zur Ikone erwachsenen Künstlerin mit einem feingriffig-sensiblen Gespür nach, das fern davon, eine reine Huldigung zu sein, durchweg die richtigen Fragen anpackt, ohne Scheu hinter die Fassaden blickt, selbst unangenehme Themen und Bruchstellen im Leben der Gisèle nicht ausblendet – und so ein ziemlich rundes, ziemlich gutes Lebensbild der in ihrer Heimat längst zur Ikone erwachsenen Künstlerin entwirft. Damit auch für den deutschsprachig Lesenden eine klare Empfehlung darstellt.